Kulturelles Erbe im Verborgenen - Jahrestagung Historischer Gymnasialbibliotheken am Petrinum

25. Sep 2023 Zurück zu Aktuelles

Historische Gymnasialbibliotheken entstammen, insoweit sie heute noch vorhanden sind, einer ersten Gründungswelle im Zeitalter der Reformation bis hin zur Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Eine solche Lehrerbibliothek ist bis heute im Gymnasium Petrinum vorhanden, wo ein Bestand von mehr als 10.000 historischen Bänden und Inkunabeln erhalten ist. Nur wenige dieser Bände entstammen der Zeit des hiesigen Franziskanerkonvents (bis 1811), die meisten wurden nach der Erhebung zum Vollgymnasium im Jahr 1829 angeschafft.

In bildungs- und bibliothekswissenschaftlichen Forschungen spielen diese vielerorts noch vorhandenen Bibliotheken kaum eine Rolle. Oftmals fristen diese ein Schattendasein am Rande eines immer digitaler werdenden Schulalltags. In einem „Netzwerk historischer Gymnasialbibliotheken und –archive“ haben sich 2018 etwa 40 dieser in Schulen erhaltenen Bibliotheken zusammengeschlossen und stehen seither in regelmäßigem Austausch. Am Wochenende fand nun am Gymnasium Petrinum die Jahrestagung des Netzwerks statt, zu dem sich Bibliothekarinnen und Bibliothekare aus ganz Deutschland einfanden. Die weiteste Anreise konnte aus Husum festgestellt werden, aber auch Bibliotheken aus NRW waren vertreten, wie etwa aus Aachen, Bielefeld und Steinfurt. Zudem war die Tagung hybrid organisiert, indem sie als Stream übertragen wurde und interaktive Teilnahme ermöglicht wurde.

Die Tagung zu „Herausforderungen und Perspektiven historischer Bestände im Zuge der Digitalisierung“ wurde von Kustos Dr. Marco Zerwas inhaltlich organisiert und moderiert: „Unsere bestandspflegerische Aufgabe umfasst alle Schritte von der Erschließung der Originale in Datenbanken bis zur Präsentation der Digitalisate für die Öffentlichkeit sowie die Entwicklung digitaler Infrastrukturen zur Erforschung und Kontextualisierung der digitalen Sammlungen und Bestände.“ In diesem Sinne ergriffen die  Teilnehmenden die Gelegenheit, sich gegenseitig auf den jeweiligen Stand ihrer Bemühungen vor Ort zu bringen und dabei gegenseitig Inspiration bei der Entwicklung der Bibliothek zu geben. An dieser Stelle spielen Fördermittel eine bedeutende Rolle, da der Umgang mit diesem kulturellen Erbe ausgesprochen kostspielig ist.

Seitens der Stadt begrüßte Beigeordneter Dr. Sebastian Sanders die angereisten Teilnehmer. Er wies insbesondere auf den Stellenwert hin, den die Historische Lehrerbibliothek am Petrinum für die Stadt besitzt. Die Stadt, die sich als Bildungsstadt definiere, sei sich der Bedeutung der Aufgabe bewusst, die historisch gewachsene Bibliothek zu erhalten und laufend zu unterstützen. Das gelte auch für das historische Schularchiv, dessen intensive Verbindung auch an der Person von Stadtarchivar Dr. Pennings in den 1920er Jahren festzumachen sei, der gleichzeitig Lehrer am Petrinum war. Die Zusammenarbeit zeigt sich bis heute auch durch die Anfang dieses Jahres geschlossene Bildungspartnerschaft zwischen Stadtarchiv und Schule. Dr. Matthias Kordes, Leiter des Instituts für Stadtgeschichte und des Stadtarchivs Recklinghausen, der auch im Sinne der Bildungspartnerschaft zwischen dem Stadtarchiv und dem Petrinum an der Tagung teilnahm, zeigte sich beeindruckt von den Gelehrtenschriften des 19. Jahrhunderts, die in den Bibliotheken nachgewiesen sind. „Diese sind zwar für die moderne Forschung kaum anschlussfähig, dennoch sind sie für die Erforschung der Heimat- und Lokalgeschichte oftmals von unschätzbarem Wert.“ Gymnasialprofessoren des 19. Jahrhunderts waren damals mit ihren Stellen anteilig zur Forschung verpflichtet und publizierten in hauseigenen Schulprogrammschriften.

Schulleiter Michael Rembiak freut sich über die Idee einer interaktiven Deutschlandkarte des Netzwerks, die er zukünftig im Internetauftritt der Schule einbinden will. Hier sollen die beteiligten Schulen verzeichnet sein und einen Überblick des Typus historischer Gymnasialbibliotheken bieten: „Hier kann anhand von Praxisbeispielen andernorts entdeckt werden, wie auch mit kleinen Maßnahmen ein Prozess wie die Digitalisierung gelingen kann.“

Auf dem Foto: Stadtarchivar Dr. Matthias Kordes (li) und Dr. Marco Zerwas (3.v.r.), Kustos der Petriner Bibliothek, gemeinsam mit den Netzwerkpartnerinnen und -partnern aus Hamburg, Steinfurt, Husum, Aachen und Bielefeld.

Von: Marco Zerwas