Der Weg in die Diktatur – die Folgen der Machtübergabe vom 30. Januar 1933

01. Feb 2023 Zurück zu Aktuelles

War es eine „Machtübergabe“ oder eine „Machtübernahme“, als vor 90 Jahren Adolf Hitler durch Reichspräsident Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt wurde, was den Nationalsozialisten ermöglichte, binnen weniger Monate den Rechtsstaat auszuhebeln, die Diktatur auf deutschem Boden zu etablieren und damit die parlamentarische Demokratie abzuschaffen? Der 30. Januar 1933, so resümierte Professor Andreas Nachama am Montagabend, war in der Rückschau der Tag der „Machtübergabe“, das Jahr 1933 aber war das der „Machtübernahme“, in dem die NSDAP unter Führung Hitlers ein autoritär-staatliches System, flankiert von brachialer Gewalt, ersten willkürlichen Verfolgungen, Ermordungen und gravierenden Einschränkungen der Persönlichkeitsrechte, errichtete. Über 100 Anwesende, darunter auch Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 9 des Petrinum, waren der Einladung der VHS Recklinghausen gefolgt.

Sie lauschten dem Vortrag Nachamas, der mit seiner Expertise als Historiker und langjähriger geschäftsführender Direktor der Stiftung „Topographie des Terrors“, die sich der Dokumentation und Aufarbeitung des nationalsozialistischen Terrors in Deutschland widmet, über Deutschlands Weg in die Diktatur referierte. Besonders blieb den Jugendlichen die immerwährende Umstrukturierung des Kabinetts von 1933 im Gedächtnis, in dem neben Reichskanzler Adolf Hitler zunächst nur zwei weitere NSDAP-Mitglieder zu Ministern ernannt worden waren, aber nach elf Monaten schließlich neun NSDAP-Mitglieder aufwies, teilweise durch Einrichtungen eigener Ministerien, um den NS-Machtapparat weiter auszubauen – Hitler kontrollieren zu können, erwies sich als eine fatale Fehleinschätzung seitens des Vizereichskanzlers Franz von Papen. Doch auch die damalige Presse reagierte verhalten, die breite Öffentlichkeit noch mit Desinteresse, so Nachama, die KPD habe Hitler gar als „Marionette des deutschen Großkapitals“ gesehen, er sei nur eine „Etappe auf dem Weg zur kommunistischen Weltrevolution“. Die Verhaftungswellen, die mit dem Reichstagsbrand im Februar 1933 vor allem über politisch Andersdenkende rollten, welche in sog. „wilden KZ’s“ der SA willkürlich misshandelt und ermordet wurden, sprachen Bände über das beginnende Unheil der jungen Weimarer Republik. Doch die aufmerksame Leserschaft hätte durchaus die wahren, menschenverachtenden, rassistischen und antisemitischen Absichten des neu etablierten Regimes erkennen können, so der Historiker: An vielerlei Stellen des politischen Lebens wurde bereits gegen das demokratische Vielparteiensystem gewettert, antidemokratische Kräfte formierten sich, bis nach nicht einmal einem Jahr die NS-Diktatur errichtet worden war und ihre totalitären Strukturen weiter auszubauen begann.

Zwölf Jahre, drei Monate und acht Tage sollte diese Zeit währen. „Die historische Auseinandersetzung mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte bleibt für uns Verpflichtung. Die Erinnerung und das Gedenken darf nie enden“, mahnte Bürgermeister Christoph Tesche in seinen Grußworten, „das sind wir den Opfern der Nazi-Diktatur schuldig.“ Dieser Verantwortung werden die Schülerinnen und Schüler der Stufe 9 nun Anfang Februar nachkommen, wenn sie an einem Workshop des „Zweitzeugen e.V.“ teilnehmen und wiederum selber zu „Zweitzeugen“ werden, um an die persönlichen Schicksale der Opfer zu erinnern und unser Gedenken an sie lebendig zu halten.

Von: Gesa Sebbel