Die Menschen hinter den Zahlen erkennen – Projekt zur Erinnerungskultur in Stufe 8

21. Jan 2024 Zurück zu Aktuelles

Statt die Gräueltaten der Nationalsozialisten in Deutschland und Europa zu verdrängen, zu verschweigen und zu vergessen, liegt es im Kern einer lebendigen Erinnerungskultur, sich mit den Verantwortlichkeiten und dem deutschen Umgang mit der Vergangenheit, dem kollektiven Gedächtnis, auseinander zu setzen. Anlässlich des „Internationalen Holocaustgedenktages“ und des „Tages des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ traten die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 8 in Auseinandersetzung mit der Entrechtung, Verfolgung und gewalttätigen Verdrängung der jüdischen Bevölkerung aus der Mitte der damaligen Gesellschaft. Auf den Vorgängen der Ghettoisierung, durch die die Nationalsozialisten in abgeriegelten Stadtvierteln bewusst die Verelendung der jüdischen Bevölkerung bis hin zum Tode unter qualvollen Bedingungen wie Hunger und Krankheiten forcierten, lag der Fokus des Moduls zur Erinnerungskultur am 15.01.2024. Weiterführend erkannten die Schüler:innen, dass auch in ihrer Heimatstadt Recklinghausen, in direkter Nähe zu ihrer Schule, inmitten der Innenstadt, zwei der fünf sog. „Judenhäuser“ festgelegt und mehrere jüdische Familien auf engstem Raum dort eingesperrt wurden, ehe sie Ende Januar 1942 in das KZ Riga deportiert und ermordet wurden.

Ebenfalls bekamen die Jugendlichen die Gelegenheit, selber auf Spurensuche zu gehen, denn unter den Opfern der Nationalsozialisten waren auch jüdische Petriner: Günter Boldes (am Petrinum von April bis Dezember 1925), der zur Flucht gezwungen wurde, aber den Holocaust überlebte; Oscar Cosmann und Jakob Faßbender (beide Abitur 1903), die beide im Jahre 1942 ermordet wurden; Hans Aris (Abitur 1936), der zur Flucht gezwungen wurde, aber den Holocaust überlebte. An Hans Aris und seinen Abiturjahrgang von 1936, der sich mit ihm solidarisierte, als Hans von den Abiturfeierlichkeiten ausgeschlossen wurde, erinnert nun im Altbaufoyer ein leerer Bilderrahmen und eine Erläuterungstafel, die ebenfalls in der Auseinandersetzung mit seinem Einzelschicksal von den Jugendlichen erkundet wurden.

In der kommenden Woche wird sich eine Projektgruppe vertiefend mit den Schicksalen der vier Petriner befassen: Im Rahmen der Projekttage werden am Freitag, 26.01.2024 um 12:30 Uhr Gedenktafeln für die Petriner enthüllt. Künftig wird diese Erinnerungsstätte im Rahmen weiterer Erinnerungskulturtage weiteren Opfern der Petriner Schulgemeinschaft gedenken.

„Die Zahlen der Opfer hört man immer wieder, aber die Menschen hinter den Zahlen zu erkennen, das ist doch wichtig, um sich an sie zu erinnern“, schlussfolgert eine Schülerin am Ende des Vormittags – ein Resümee, das klar artikuliert, systematische Entrechtung, Verfolgungen und massenhafte Ermordungen von Menschen, die in den Augen einer bestimmten Gruppe als „minderwertig“ und „nicht lebenswert“ gesehen wurden – solch ein Zivilisationsbruch darf sich nie wieder wiederholen.

Von: Gesa Sebbel