Nathanael in der Rock-Oper: Leistungskurs Deutsch auf den Spuren E.T.A. Hoffmanns

24. Sep 2018 Zurück zu Aktuelles

Der Deutsch-LK der Q2 erlebte am Freitag, 21.09., einen denkwürdigen Theaterabend: Robert Wilsons Musiktheater-Fassung von E.T.A. Hoffmanns Schauermärchen „Der Sandmann“ konterkariert wohl jede Erwartung an eine Bühneninszenierung dieser rätselhaften Erzählung. Im Düsseldorfer Schauspielhaus trauten die Zuschauer kaum ihren Augen und Ohren: Während die Hauptfigur Nathanel als grenzdebiler roter Teufel mit Feuerfrisur durchs Stück hüpft und seiner Stimme mehr verstörende Geräusche als Worte entlockt, begleitet die Live-Band im improvisierten Orchestergraben die hinzugefügten Songs mit beinahe kindlicher Freude. Beeindruckt von der Sangeskunst der Darsteller und dem Bühnenbild, das mal an eine 80er-Chartshow und mal an den „Wunschpusch“ erinnert, folgen die Zuschauer atemlos der dahinrasenden Handlung, in der sich das Figureninventar durchs Stück rockt. Die Figuren selbst verbergen sich permanent hinter Mimik-Masken: Die schaurige Spannung zwischen Furcht und der Freude förmlich greifbar.

Der sehr freie Umgang mit der Textvorlage bekommt der monumentalen Inszenierung meist gut – nur manchmal scheint die Grenze zum Klamauk überschritten: Spätestens, wenn der Sandmann persönlich stepptanzend den geschlossenen Vorhang entlang hüpft und eher einer thaterpädagogischen Sprechübung entstiegen zu sein scheint.

Nach zwei Stunden sind Augen und Ohren gleichermaßen erschöpft – und alle sind sich einig: Wir haben eine sicher streitbare und ganz sicher unerwartete „Sandmann“-Inszenierung gesehen – und genossen.

Von: Martin Willebrand