Stronghold Crusader im Geschichtsunterricht: „Es sind harte Zeiten“

02. Dec 2018 Zurück zu Aktuelles

Am Gymnasium Petrinum wird in einem den Geschichtsunterricht erweiternden Projekt das Mittelalter lebendig gemacht und ins Klassenzimmer geholt. Gemeinsam mit den ehemaligen Schülern Max Stobberg und Christopher Timmes, Experten im Bereich Medien- und insbesondere Geschichtsdidaktik, hat Geschichtslehrer Marco Zerwas ein besonderes Unterrichtsarrangement geplant und ist in diesen Wochen gerade bei der Durchführung. Zunächst wurde mit der Klasse 8a die Unterrichtseinheit zum Mittelalter ganz konventionell durchgeführt: Die Schülerinnen und Schüler arbeiten mit Quellen, sie analysieren Urkunden, problematisieren das Leben im Mittelalter in der Stadt und auf dem Land, sie entwickeln eine Ahnung davon, was die Mächtigen und Herrschenden in den wohl ersten Religionskrieg geführt hat. Den Transfer in unsere Gegenwart zu schlagen, könnte anhand der aktuellen weltpolitischen Lage sehr einfach sein. Ist es aber nicht, wie Zerwas feststellt. Das Problem sei vor allem, dass sich die Jugendlichen kaum auf eine Welt einlassen können, die ganz anderes funktioniert, als unsere Gegenwart. „Das war es im Prinzip schon immer. Die Jugendlichen von 1950 haben auch eine andere Gegenwartsvorstellung gehabt, als die Menschen des Mittelalters.“ Häufig sei im Geschichtsunterricht zu hören, dass die Jugendlichen die Bedingungen des Lehnswesens für absolut unmenschlich halten, die systemischen Vorteile dieses durchaus solidarischen Prinzips würden kaum nachvollzogen.

GE DigitalHalf vielleicht in den vergangenen Jahrzehnten noch der Historische Roman, um in die vergangenen Lebenswelten fiktional einzutauchen, den Perspektivwechsel anzubahnen, so würden diese kaum mehr rezipiert. Anders verhält es sich mit Computerspielen, die – zumindest bei den Jungen – einen breiten Zuspruch erfahren. Dies sei der Ansatzpunkt gewesen, mit dem Projekt die Lebenswirklichkeit des Mittelalters virtuell ins Klassenzimmer zu holen. Aus der Perspektive eines Gutsherrn erfahren die Schülerinnen und Schüler im Computerspiel Stronghold Crusader, welche Verpflichtungen innerhalb des Lehnswesens auf ihn zukommen. Sie erkennen seine Not, für schlechte Zeiten vorzusorgen, im Angriffsfall für seine Leibeigenen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen und nicht zuletzt die Arbeitsmotivation und die Moral hochzuhalten. Verliert der Gutsherr eines davon aus den Augen, flüchten die Unfreien in die Stadt, wo sie nach „einem Jahr und einem Tag“ frei sind – dort aber wieder neuen Zwängen unterworfen sind.

Zerwas und sein Team haben Spielszenarien entworfen, die die Jugendlichen gezielt mit Problemstellungen konfrontieren. Nach ersten Berührungen mit dem durch die Mentoren angeleiteten Spiel lassen sich bereits erste Erfolge nachweisen: Die Einsichten in die Bedingtheit des Mittelalters sind im Sinne eines reflektierten Geschichtsbewusstseins wesentlich ausgeprägter. Auf die Frage, warum sie die Essensrationen für ihre Leibeigenen gekürzt habe, antwortet eine Schülerin sichtlich betroffen: „Ich will für meine Leute da sein, aber die Zeiten sind nun mal hart.“ Sie muss Verteidigungsanalagen für den Ernstfall einrichten.

Von: Dr. Marco Zerwas